Wie klingt Gruppendynamik? Psychodynamische Prozesse in der analytischen Gruppenmusiktherapie. Gruppenanalytisches Gespräch.

14.04.2023 Fr 19:00 Uhr
BIG, Rudolfstraße 14, 10245 Berlin

Annegret Körber
Dipl.-Musiktherapeutin, Gruppenlehranalytikerin (D3G), Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin Rostock

Wie klingt Gruppendynamik?
Psychodynamische Prozesse in der analytischen Gruppenmusiktherapie

In den künstlerischen Spezialtherapien dient die kreative Handlung dem Verständnis der psychodynamischen Prozesse. Es ist ein der Musik inhärentes Phänomen, dass dieses Medium einen Raum jenseits der gesprochenen Sprache berührt und eröffnet sowie durch die Emotionalisierung die Grenze zwischen bewussten und unbewussten Vorgängen lockert. Im Zentrum der Musiktherapie steht die musiktherapeutische Improvisation. Diese beruht auf der Methode des freien Assoziierens unter Nutzung einer großen Auswahl leicht handhabbarer Musikinstrumente. Die sogenannte Neue Musik und die rasante Entwicklung neuer Musikrichtungen bewirkten eine Veränderung in den Hörgewohnheiten: Was im Jazz oder in Filmmusiken „erlaubt“ ist, kann auch im therapeutischen Raum zu flexibleren Interaktionen und Erfahrungen führen. Das Musizieren und gemeinsame Hervorbringen einer freien Improvisation entspricht einer Gruppenassoziation, wobei durch Resonanz das Unbewusste in die Gruppe eingebracht wird. Über die musikalische Brücke steht es als Klangmetapher für eigene Mitteilungen dem Verstehen zur Verfügung. Dabei wird die Gleichzeitigkeit des hörbaren Ausdrucks beim Musizieren im Unterschied zum verbalen Nacheinander erlebt, jedoch analog zur Gleichzeitigkeit von Emotionen und Gedanken. Foulkes griff immer wieder Vergleiche aus dem musikalischen Raum auf: Die Gruppe als Orchester, der Gruppenleiter als Dirigent, das Zusammenspiel der Persönlichkeiten, die Resonanz. Die therapeutische Gruppe etabliert sich beim gemeinsamen Improvisieren als „elementares Orchester“.

So kann sich die enorme Komplexität und Potenz einer Gruppe klanglich entfalten, wobei sich in der entstehenden Musik Kommunikations- und Entwicklungsbedürfnisse ebenso wie destruktive Tendenzen hörbar abbilden. Innerseelische Zustände synchronisieren sich sukzessive durch Resonanz, was in der musikalischen Interaktion direkt und sinnlich wahrnehmbar wird. Auf die musikalisch-emotionale Verdichtung in der Gruppenimprovisation folgen in der Regel Momente der Stille und eine Phase der Entschleunigung: Die Gruppe assoziiert und reflektiert verbal zu dem selbst gestalteten musikalischen Material und verschafft sich so einen Zugang zur inter- und intrapsychischen Dynamik. Die Improvisation kann gleichsam als „Filmmusik“ zu dem in der Gruppe ablaufenden „Film“ betrachtet werden.

Im GAG hören wir Audioaufnahmen musiktherapeutischer Gruppenimprovisationen, assoziieren zu diesem Material und können auf diesem Wege ein Verständnis vom Klang einer Gruppe und ihrer Dynamik erarbeiten.

Der wirksamste Faktor bei einer Veränderung ist die Ich-Einübung im Handeln und nicht die Einsicht einer Deutung in Worten, vielmehr die andauernde korrigierende Interaktion mit anderen.
S. H. Foulkes (1978)

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